Brief vom 26.05.2011
Liebe K........., lieber R..........,26.05.2011
mit der Ausführung heute nach Kassel hat's geklappt. Was für ein Erlebnis, nach so vielen Jahren mal wieder da draußen zu sein - bin jetzt noch'n bissl schwindlig im Kopf.
P............ & Co haben mir 'nen wunderschönen Tag bereitet. Wetter war super, wir konnten Stunden im Garten verbringen! Viele Leute waren da: P......, K........, L........, J........., L........ mit Hund, M........ und K........., M...........die ich nicht kannte . . . Das Tolle: J........ hat heute auch noch Geburtstag!
Abschied so schwer, aber 'ne Riesenfreude auf mehr . . . R........ hat auch 'ne Grußbotschaft aus Bielefeld auf's Band gesprochen; C......... war aus Berlin am Telefon. Und wenn wir uns in baldiger Zeit auch noch sehen . . . ahhh, dann schrei ich vor Freude!
Der traurige Teil dieser Post: in Schwalmstadt rappelt's mal wieder. Letzten Sonntag ist auf unserer Station ein schwer kranker Kollege regelrecht verreckt. Mir wurde heute gesagt, dass es schon Anfragen an euch gegeben hat, ob ihr konkrete Informationen habt.
Ich wurde von den SV'ern gebeten, einen Text zu machen, der den Tod von MICHAEL HÖLZEL thematisiert und darüber hinaus auch noch weitere Themen aufgreift, die aktuell auf den Nägeln brennen. Detailierte Informationen, was den Tod von Micha betrifft und was an diesem Tag konkret gelaufen ist, werden die Leute aus den direkten Nachbarzellen auf ihren Kanälen auch noch an die Medien bringen; deshalb auch die Entscheidung, im vorliegenden Text vornehmlich allgemeiner zu bleiben, gerade auch weil es unter umständen um strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen namentlich zu nennende Bedienstete geht. Und da geht's in Bereiche, wo man genau im Auge haben muss, was euch bei Veröffentlichung evtl. in Schwierigkeiten bringen könnte.
Die zwei Namensnennungen im Text (Gotlieb / Lemanzik) sind vom rechtlichen Standpunkt her unbedenklich in diesem Zusammenhang, die können ruhig so auf der Seite erscheinen.
Als Zusatzinformation noch folgendes:
Seit Montag, 23.05. verweigern die Sicherungsverwahrten die Annahme von Knastessen. Derzeit verpflegen wir uns auf eigene Kosten. das Ganze ist bis jetzt noch kein Hungerstreik. Ob und wann ggf. wieder gestreikt wird - daz gibt es unterschiedliche Positionen, die müssen erst noch ausdiskutiert werden. Die Knastleitung hat von uns bisher keine Erklärung bekommen, im Moment lehnen wir auch jedes Gespräch mit denen ab.
Zusätzlich gibt es seit Sonntag 22.05. jede Nacht von 00:00 bis 00:10 Uhr ein riesiges Trommelkonzert an den Gittern, an dem sich auch viele Strafgefangene beteiligen. Gedacht ist dies als Gedenken an Micha und Ausdruck unseres Zorns. Ein Kalkül daneben - nämlich dass die unmittelbaren Bewohner am Wollgraben anfangen unangenehme Fragen zu stellen weil 'se jede Nacht aus den Betten fliegen - ist in soweit aufgegangen, dass örtl. Press (Drecks -HNA) und HR das Thema aufgegriffen haben.
Jumi (Justizministerium) bestreiten natürlich jeden Fehler - mal sehen was aus 'ner Petition und Kontakten einiger Gefangener zur Partei "die Linke" noch folgt.
Werde versuchen, euch nächste Woche Tel. zu erreichen. Soweit erstmal das Wichtigste - es ist inzwischen kurz vor 03:00 Uhr und ich fange an, vor Müdigkeit zu schielen... die Post kommt via ........, daher die Verzögerung. Aber ich traue der Zensur hier nicht. Trotzdem werde ich den Text auch noch offen an Joachim Tornau (Journalistenbüro KS) und Agentur Reuter schicken.
Drück euch beide ganz feste
ciao Lutz