PFLICHT ZUM SCHUTZ

Die Pflicht zum Schutz der Allgemeinheit vor den Tätern ist, im Umkehrschluß, auch die Pflicht zum Schutz der Täter vor der Allgemeinheit.


Sperrt sie weg und schmeißt den Schlüssel fort! Daraus würde eine Situation entstehen, die wie folgt aussieht: keine Resozialisierung, keine psychologische Betreuung, keine Möglichkeit die begangene Tat zu reflektieren. Dass unsere Strafbehörden aber gerade auch einen Auftrag zur Resozialisierung haben, wird gerne übersehen, vor allem dann, wenn sich wieder einmal ein Sexualstraftäter mit seiner Tat in die Köpfe der Gesellschaft katapultiert hat. Die Gesellschaft will geschützt werden. Die Sicherungsverwahrung soll, im Gegensatz zur Freiheitsstrafe, ja auch nicht der Sühne, sondern der Schutzbedürftigkeit der Allgemeinheit dienen. Der Schutz ist da, die Gerichte machen das schon richtig, die Allgemeinheit ist geschützt.


Aber wer schützt die, die in die Sicherungsverwahrung geschickt werden vor  Fehlurteilen, welcher Art auch immer?


Erfahrene Psychiater, wie z.B. Hans-Ludwig Kröber oder auch der BGH-Präsident Klaus Tolksdorf warnen vor einer "Sicherheitshysterie".


Einer "Sicherheitshysterie", in der Resozialisierung, Reflektion der Tat und psychologische Betreuung, keinen Platz haben. Einer "Sicherheitshysterie", die die Täter in eine große Maschinerie wirft, in der sie mehr oder weniger nur verwahrt werden. Weil diese Maschinerie finanzmäßig schlecht ausgestattet ist, ist sie permanent unterbesetzt; es fehlt vehement an Personal. die Psychologischen Dienste sind regelmäßig überfordert. Da kann nicht genügend Platz für Resozialiesierung sein. Bessere Unterbringungsmöglichkeiten für die Gefangenen und mehr Personal sind aber für eine Resozialisierung unabdingbar. Kostenlos gibt es das nicht.


Eine deutlich verbesserte Unterbringung und erweiterte therapeutische Angebote empfiehlt auch Jörg Kinzig (Professor für Strafrecht in Tübingen). Er schrieb in der SZ vom 15.01.2010, dass wir uns vergegenwärtigen müssten, was es mit der Sicherungsverwahrung auf sich habe. Rein praktisch sei sie eine Freiheitsentziehung über das Ende der Strafe hinaus. Sie setze erst dann ein, wenn der Straftäter seine Schuld verbüßt habe. Man könne also mit Fug und Recht sagen, die weitere Inhaftierung erfolge schuld-los. Deswegen werde die Sicherungsverwahrung nach deutschem Rechtsverständnis auch als Maßregel begriffen und nicht als Strafe. Der Grund für eine andauernde Freiheitsentziehung liege im berechtigten Anliegen der Bevölkerung vor weiteren Straftaten geschützt zu werden. Dies verweise auf ein zentrales Problem dieser Sanktion: das der Prognose. Sind die Gerichte und die ihnen zuarbeitenden Sachverständigen überhaupt in der Lage, solche glücklicherweise sehr seltenen Ereignisse präzise vorherzusehen? Und wenn nicht, wer soll das Risiko tragen? Die Allgemeinheit oder aber der Straftäter, dem bei einer fehlerhaften Prognose unberechtigt die Freiheit entzogen würde? Dazu existierten ernstzunehmende wissenschaftliche Untersuchungen, die besagten, das für "einen" wirklich gefährlichen Menschen, derzeit eine Vielzahl weiterer Personen in den Strafanstalten festgehalten würden, die, entließe man sie, gerade nicht schwer rückfällig würden.



Der Artikel von Professor Jörg Kinzig ist, unter folgender Internetadresse, im Originaltext zu lesen:

http://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/kinzig/forschung/Medien/SZ-Artikel.pdf