Erklärung zum Hungerstreik (25.01.2102)
Lutz Balding
Sicherungsverwahrung Schwalmstadt
Erklärung zum Hungerstreik
Am 20.01.2012 wurden gegen sieben Sicherungsverwahrte der JVA Schwalmstadt umfangreiche Kontrollmaßnahmen angeordnet. Die Zellen wurden durchwühlt, von allen wurde die Abgabe einer Urin- und Haarprobe verlangt. Fast alle der Betroffenen haben sich verweigert. Bei niemandem wurde etwas Belastendes zutage gefördert.
Am 24.01.2012 wurde allen Betroffenen, für die Lockerungsmaßnahmen schon durchgeführt wurden und weitere in Planung standen mitgeteilt, dass diese mit sofortiger Wirkung gestrichen seien.
Bis heut wurde niemandem eine konkrete Erklärung dafür gegeben, geschweige denn ein formaler Vorwurf erhoben. Inoffiziell war zu erfahren, dass dem Ganzen anscheinend ein anonymes Schreiben mit diversen Bezichtigungen zugrunde läge.
Ich weigere mich kategorisch auch weiterhin, mich Kontrollforderungen zu beugen, die als einzige Grundlage anonyme Bezichtigungen haben.
Seit -zig Jahren werden hier in Schwalmstadt regelmäßig Inhaftierte nach Eingang anonymer Schreiben drangsaliert. Ich selbst verlor 2007 meinen Arbeitsplatz in der Bücherei, ein mitbeschuldigter Kollege wurde aufgrund anonymer Schmiererei bis nach Dresden verschleppt, gegen uns wurden dann - wider besseren Wissen - monatelang Sicherungsmaßnahmen vollzogen. Am Ende entschied dann ein Gericht, dass dies alles rechtswidrig gewesen sei! Ein schönes Stück Papier, mit dem man sich de facto den Hintern abwischen kann.
So gut wie alle in den letzten Jahren durchgeführten Aktionen auf anonyme Schreiben hin führten zu keinem anderen Ergebnis, als dass Inhaftierte durch erhebliche Nachteile darunter zu leiden hatten.
Aber dies hat nicht etwa dazu geführt, dass sich endlich ein besonnenerer Umgang mit derartigem einstellt. Im Gegenteil: mehr und mehr wird nach dem Auftauchen anonymer Schmierereien rein aktionistisch reagiert. Was auf den ersten Eindruck hin wie administratives Schwachmatentum anmutet, ist dabei eher von folgenden Triebkräften bestimmt: panische Angst vor der Beschädigung der eigenen Position, Paranoia aufgrund permanent halluzinierter Bedrohungen durch angeblich "gefähriche Gefangene", Vermeidung eines Anschisses durch den gefürchteten Übervater "Aufstichtsbehörde" und letztendlich der Unfähigkeit zu selbstbewusster, souveräner Führung.
Gerne wird dabei ausgeblendet, dass sich die Administration in derartigen Fällen zum Erfüllungsgehilfen und Wasserträger diese sozialen Abschaumes macht, der seine Genugtuung in den Reaktionen auf seine pathologische Verhaltensweise findet.
Das Aussetzen von Lockerungen hat bei Sicherungsverwahrten die Folge, dass dies Einfluss auf die Entscheidung der Gerichte über eine Entlasung haben kann. Wenn denunziatorische Schmierer auf diesen Prozess Einfuss nehmen könne, stimmt etwas nicht in diesem System! Dies gilt es jetzt auch einmal abseits der (unzureichenden) formalen Beschwerdemöglichkeit zu thematisieren.
Deshalb trete ich ab dem 01. Febr. 2012 in einen zunächst auf eine Woche befristeten Hungertreik. Neben dem reinen Protest steht keine andere Forderung als: Schluss mit dem Terror infolge anonymen Denunziantentums!