Beschluss vom 05.12.2011

Beschluss vom 05.12.2011

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7 StVK 246/11
.../../ Js ......./86
Staatsanwaltschaft Darmstadt
- Zweigstelle Offenbach -

-- Das hessische Landeswappen --

Landgericht Marburg

Beschluss


In dem strafrechtlichen Unterbringungsverfahren

gegen    Lutz  Balding,
geboren am 03.09.1958 in Hagen,
zur Zeit untergebracht in der Sicherungsverwahrung in der
Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt, Paradeplatz 5, 34613
Schwalmstadt,


Verteidiger: Rechtsanwalt Andreas Groß, Adolfsallee 27/29,
65183 Wiesbaden

w e g e n    schwerer räuberischer Erpressung               '


hat die 7. Strafkammer - StrafvoIlstreckungskammer - des Landgerichts Marburg/L. nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Darmstadt - Zweigstelle Offenbach-, der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt und nach mündficher Anhörung des Untergebrachten

am  05. Dezember 2011  beschlossen:

Die Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 08.  September  1987  angeordneten  Unterbringung  in  der Sicherungsverwahrung wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Die nächste Prüfung der fortdauer soll bis zum 31. Mai 2012 stattfinden.

Gründe:

Lutz Balding wurde durch das in der Beschlussformel bezeichnete UrteiI des Landgerichts Darmstadt wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom 08.01.1987 unter Auflösung der dort gebiIdeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteitt. daneben wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dem lag zugrunde, dass er u. a. einen Banküberfall begangen hatte, bei dem er ein Schnellfeuergewehr Typ ,,Armi Jäger", Modell AP 80, Kaliber 22, dessen Lauf und Schaft abgesägt waren, im Schalterraum der Bank durch Abgabe von Zwei Schüssen in den Boden und bei der anschließenden Flucht dergestalt eingesetzt hatte, dass er durch die zuvor von ihm eingeschlagene Heckscheibe des von seinem Mittäter geführten Fluchahrzeugs mehrfach auf ein Polizeifahrzeug geschossen hatte, das sie verfolgt hatte.

Wegen des bisherigen VolIzugsverlaufs wird auf den Beschluss der Kammer vom 01.04.2011, durch den die VolIstreckung der mit Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 08.09.1987 angeordneten Unterbringung in der Sicherungsvewahrung angeordnet worden ist (Bl. 447 ff. d. VH Bd. l l) , verwiesen.

Die Justizvollzugsanstatt Schwalmstadt hat unter dem 27.09.2011 berichtet, der Untergebrachte habe sich zwischenzeitlich in mehreren Ausführungen beweisen können, die sämtlich beanstandungsfrei verlaufen seien. Das mögIiche Entlassungsumfeld werde als stabil und fördernd angesehen. Darauf aufbauend befinde sich aktuell das Prüfungsverfahren für die ErteiIung von weitergehenden vollzugsöffnenden Maßnahmen in Arbeit, über dessen Ausgang noch keine Prognosen abgegeben werden könnten. Dieser Umstand gereiche noch nicht dazu, eine Aussetzung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung zu befürworten. Der Untergebrachte soIIte in möglichen alleinigen vollzugsöffnenden Maßnahmen sein EntlassungsumfeId weiter festigen.                                     .

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt - ZweigsteIle Offenbach - hat beantragt, die fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, da (-> Anmerkung: hier ist wohl ein Fehler in der Abschrift, den wir so übernehmen) Die Staatsanwaltschaft Darmstadt - Zweigstelle Offenbach - hat beantragt, die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, da eine Aussetzung erst in Betracht komme, wenn sich der Untergebrachte durch weitere Lockerungen erprobt habe.

Der Untergebrachte ist durch die Berichterstatterin aIs beauftragte Richterin der  Kammer  mündIich  angehört worden.  Er  hat  die  durchgeführten Ausführungen  bestätigt  und  ergänzend  zu  der  Stellungnahme  der
JustizvoIIzugsanstalt angegeben. diese habe in der vorangegangenen Woche bei Prof. MülIer in Göttingen ein Gutachten zur Frage unbeaufsichtigter Lockerungen in Auftrag gegeben. Derzeit hänge der weitere Fortgang also davon ab, wie schnelf Prof. MüIler das Gutachten erstelle. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vermerk über die mündliche Anhörung des Untergebrachten vom 30.11.2011 Bezug genommen.


Die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, weil derzeit noch nicht zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des MaßregelvoIlzugs keine schweren
Gewalttaten mehr begehen wird, § 67d Abs. 2 StGB i. V. m. dem Urteil des BVerfG vom 04.05.2011 - 2  BvR 2365/09. Das BVerfG hat in der vorstehenden Entscheidung bzgl. der vorliegend gegebenen ursprüngIichen
Sicherungsverwahrung, die noch keine 10 Jahre voIlstreckt worden ist, wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot ausdrücklich eine Unvereinbarkeit der für die Fortdauerentscheidung maßgeblichen Vorschrift des § 67d Abs. 2 StG8 festgestellt, zugeich aber die Weitergeltung der Norm bis längstens 31.05.2013 mit der Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angeordnet, wobei die Verhättnismäßigkeit der Fortdauer gewahrt ist, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder  Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Die Gefahr schwerer Gewalttaten ergibt sich vorIiegend aus dem Vorleben des Untergebrachten, der bereits als Strafunmündiger in den Jahren 1971 und
1972 begonnen hatte, Straftaten zu begehen, die sich wie ein roter Faden (-> Anmerkung: auch hier ein  Bruch inder Abschrift, den wir so übernommen haben) haben, wobei es sich dabei schon deshalb um schwere Gewalttaten handelt, wel der Untergebrachte eine scharfe Waffe eingesetzt hat. Darüber hinaus hat der Sachverständige Prof. Dr. MülIer in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.04.2010 und in dessen mündlichen Erörterungen nachvollziehbar ausgeführt, dass bei dem Untergebrachten im Falle der sofortigen Enttassung ein
hohes Risiko neuer Straftaten bestehe, da er derzeit in Freiheit letztlich keine Alternative zu seinem früheren (strafbaren) Verhalten kenne. Daher komme vor seiner EntIassung der Stufenweisen Lockerung und Erprobung, der protrahierten Vorbereitung einer Tagesstruktur, dem Aufbauen und Erproben von sozialen Kontakten sowie letztlich der soziaIen Eingliederung in den so protrahiert vorzubereitenden Empfangsraum große Bedeutung zu. Angesichts der langjährigen Inhaftierung sei der Resazialisierungsprozess problematisch und entsprechend dosiert und einschleichend zu gestalten. Eine derartige stufenweise Lockerung und Erprobung des Untergebrachten ist indes bislang nicht in ausreichendem Maß erfolgt, nachdem ihm bisher nur Ausführungen in seinen möglichen künftigen Empfangsraum gewährt worden sind. Dies zugrunde legend kann noch nicht hinreichend sicher eingeschätzt werden, ob bei dem Untergebrachten tatsächlich eine Abkehr von seinen krimineIlen VerhaItensweisen stattgefunden hat. Hierzu bedarf es seiner weiteren eingehenden Erprobung.

Insoweit sieht sich die Kammer erneut veranlasst, darauf hinzuweisen, dass die bisherige äußerst zögerIiche Praxis des Vollzuges bei Entscheidungen über VoIIzugstockerungen aus ihrer Sicht rechttich bedenklich ist. Der Umstand, dass die JustizvoIIzugsanstalt erst Ende November 2011, also fast acht Monate nach dem letzten Beschluss der Kammer, ein Gutachten zur Frage weitergehender Lockerungen in Auftrag gegeben hat, lässt befürchten, dass die Entscheidungsfindung auch nach Eingang des Gutachtens in einigen Wochen ebenso schleppend verlaufen wird. Das ist unter Berücksichtung der bisherigen Iangen Dauer des Freiheitsentzuges mit Blick auf das Freiheitsrecht des Untergebrachten nicht zu rechtfertigen. Die Kammer erwartet deshalb,
dass der Untergebrachte nunmehr unverzüglich weiter gelockert wird und insbesondere zeitnah nach Eingang des Gutachtens die darin enthaltenen Vorschläge umgesetzt werden.

Angesichts des bisherjgen Verlaufs sieht die Kammer sich gehalten, auch den weiteren Verlauf eng zu begleiten; deshalb ist die Prüfungsfrist des § 67e StGB wie aus dem Tenor ersichtlich verkürzt worden.

Einer Anhörung durch die vollbesetzte Kammer bedurfte es nicht, weil der Untergebrachte darauf nach Rücksprache und in Übereinstimmung mit seinem Verteidiger verzichtet hat und die Ietzte Anhörung vor der ganzen Kammer am 29.03.2011 durchgeführt worden ist, so dass der persönliche Eindruck von dem Untergebrachten noch sehr präsent ist. Umstände, die es erfrderlich gemacht hätten, nach so kurzer Zeit erneut einen persönlichen Eindruck von ihm zu bekommen, sind nicht ersichtlich.


Rechtsmittelbelehruntg: Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft. sie muss binnen einer Woche vom Tage der ZustelIung an entweder schriftlich bei dem Landgericht Marburg eingegangen sein oder aber binnen der gleichen Frist zu protokol des Urkundsbeamten der GeschäftsstelIe des Landgerichts Marburg oder des für den Vemahrungsort des Verurteilten zuständigen Amtsgerichts erklärt werden.


Unterzeichnende:
Dr. Wolf
Christ
Simon

Ausgefertigt am 13.12.2011
-- Stempel des Landgerichts Marburg --
-- Unterschrift des Urkundsbeamten --

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